Hannover, 14. Februar 2023. Ein Autoreifen ist rund, schwarz und besteht aus Gummi. Bei näherer Betrachtung aber zeigt sich: Die Konstruktion von Reifen und das Zusammenspiel der eingesetzten Materialien ist äußerst komplex. Und doch arbeiten die Materialexperten und Reifeningenieure von Continental bereits seit längerem an einer stillen Revolution: Spätestens 2050 sollen alle Reifen aus nachhaltigen Materialien bestehen. Bis dahin ist es noch ein langer Weg. Doch Schritt für Schritt wird schon heute sichtbar, welche Rohstoffe künftig Einzug in den Reifenbau halten werden. Dazu gehören Abfallprodukte aus der Landwirtschaft – wie zum Beispiel die Asche von Reishülsen –, Kautschuk aus Löwenzahn, recyceltes Gummi oder PET-Flaschen.
Claus Petschick, Leiter Nachhaltigkeit des Reifenbereichs bei Continental, formuliert einen klaren Anspruch: „Continental ist auf dem Weg, der fortschrittlichste Hersteller in der Reifenindustrie zu werden, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Bis spätestens 2050 wollen wir zu 100 Prozent nachhaltige Materialien in unseren Reifenprodukten einsetzen“. Er ergänzt: „Unsere starke Innovationskraft ermöglicht es uns, neue und nachhaltigere Wege zu gehen. Das beginnt bei der Herkunft und Beschaffung unserer Materialien und reicht bis zur Wiederverwertung und dem Recycling unserer Reifen“.
Bereits heute sind in einem Standard-Pkw-Reifen von Continental rund 15 bis 20 Prozent nachwachsende oder wiederverwertete Materialien verbaut. Um den Anteil nachhaltiger Materialien weiter zu erhöhen und wertvolle Ressourcen zu schonen, analysiert und überprüft Continental kontinuierlich alle bei der Reifenproduktion verwendeten Rohstoffe.
Je nach Einsatzzweck, Jahreszeit und Umgebung ergeben sich spezifische Anforderungen an einen Reifen. Das wird zum Beispiel im Profildesign sichtbar. An anderen Stellen sind die Eigenschaften unsichtbar, wie zum Beispiel in der Zusammensetzung der jeweiligen Gummimischung. Pkw-Reifen von Continental bestehen aus bis zu einhundert unterschiedlichen Rohmaterialien.
Ihre genaue Zusammensetzung beeinflusst die Reifen und deren Fahreigenschaften maßgeblich. Die verschiedenen Materialien mit ihren spezifischen Eigenschaften und Wechselwirkungen gezielt einzusetzen, ist ein komplexer Balanceakt für die Ingenieure und Materialexperten von Continental. Denn erst wenn sämtliche Materialien ideal aufeinander abgestimmt sind, entstehen sichere, energieeffiziente und langlebige Hochleistungsreifen
Naturkautschuk ist für die hervorragende Funktionalität von Reifen unerlässlich. Zwischen 10 und 40 Prozent des Gesamtgewichts moderner Hochleistungsreifen besteht aus dem Naturprodukt. Zu den besonderen Eigenschaften gehören eine hohe Stoßfestigkeit und Haltbarkeit, die durch die Dehnungskristallisation des Kautschuks hervorgerufen wird. Mit mehr als 70 Prozent ist die Reifenindustrie der größte Abnehmer der globalen Kautschukproduktion. Für Continental ist das Naturkautschuk jedoch erst dann ein nachhaltiges Material, wenn es verantwortungsvoll beschafft wird. Das Unternehmen verfolgt daher einen ganzheitlichen Ansatz, um die komplexen und fragmentierten Lieferketten für Naturkautschuk nachhaltiger zu gestalten. Neueste digitale Technologien, lokales Engagement und eine enge Zusammenarbeit mit starken Partnern sollen mehr Transparenz und Nachverfolgbarkeit entlang der kompletten Wertschöpfungskette schaffen. Mit ihrem Taraxagum-Projekt verfolgt Continental zudem einen innovativen Ansatz, um künftig unabhängiger vom heute - vor allem in Südost-Asien – angebauten Naturkautschuk zu werden. Gemeinsam mit Partnern forscht der Reifenhersteller an der Industrialisierung der Gewinnung von Naturkautschuk aus speziell gezüchteten Löwenzahnpflanzen.
Neben Kautschuk sind Füllstoffe wie Silika für den Reifenbau essenziell. Silika zum Beispiel trägt dazu bei, Reifeneigenschaften wie Grip, Rollwiderstand und Laufleistung deutlich zu optimieren. Künftig werden Reishülsen Ausgangsmaterial für nachhaltig hergestelltes Silika sein. Reishülsen sind ein Abfallprodukt der Reisproduktion und können nicht als Nahrungsmittel oder Tierfutter verwendet werden. Aus der Asche von Reishülsen gewonnen, ist die Herstellung von Silika energieeffizienter als aus herkömmlichen Materialien wie Quarzsand.
Bereits heute bieten pflanzliche Öle – wie beispielsweise Rapsöl und Harze, basierend auf Reststoffen der Papier- und Holzindustrie – eine Alternative zu rohölbasierten Füllstoffen in Reifen von Continental. Hierbei wird ausschließlich Öl technischer Qualität genutzt, das für den Verzehr ungeeignet ist. Öle und Harze machen Reifenmischungen flexibel und verbessern so die Haftungsfähigkeit des Materials.
Continental strebt bis spätestens 2050 vollständig zirkuläres Wirtschaften in ihrer Reifenproduktion an. Neben dem Einsatz nachwachsender Materialien, arbeitet das Unternehmen deshalb auch konsequent an der Nutzung recycelter Rohstoffe in seiner Reifenproduktion. Auf diese Weise soll künftig im großen Umfang Industrieruß gewonnen werden, ein weiter wichtiger Füllstoff in Gummimischungen. Kürzlich hat Continental eine Entwicklungsvereinbarung mit Pyrum Innovations geschlossen. Ziel ist es, die stoffliche Verwertung von Altreifen weiter zu optimieren. Dabei zersetzt Pyrum Altreifen in Industrieöfen durch ein spezielles Pyrolyseverfahren in ihre einzelnen Bestandteile. Auf diesem Weg können wertvolle Rohstoffe, die in Altreifen enthalten sind, extrahiert und recycelt werden. Beide Unternehmen arbeiten darauf hin, mittelfristig neben dem direkten Einsatz von hochwertigem Ruß auch qualitativ hochwertige Rohmaterialien aus dem gewonnenen Pyrolyseöl für die Reifenproduktion von Continental zu gewinnen. Langfristig streben der Premiumreifenhersteller und Pyrum ein geschlossenes Kreislaufwirtschaftskonzept für das Recycling von Altreifen an.
Neben der Pyrolyse setzt Continental auch auf die mechanische Aufbereitung von Altreifen. In einem aufwendigen Verfahren werden vor allem Gummi, Stahl und Textilcord voneinander getrennt. Das Gummi wird anschließend so aufbereitet, dass es wieder als Bestandteil neuer Gummimischungen verwendet werden kann.
Altreifen konsequent der Kreislaufwirtschaft zuzuführen, um so Ressourcen und Umwelt zu schonen, hat bei Continental eine lange Tradition. Bereits seit 2013 wird im Werk in Hannover-Stöcken im Rahmen der Lkw-Reifenrunderneuerung sogenanntes „Conti-Reclaim“ gewonnen. Dieses wird bereits seit Jahren in der Reifenproduktion von Continental verwendet. Um das Einsatzspektrum des recycelten Gummis zu erweitern und die Eigenschaften optimal auf die jeweiligen Anwendungsgebiete abzustimmen, setzt Continental neben „Conti-Reclaim“ auch Gummirezyklate anderer Lieferanten ein.
„Recycelte Rohstoffe werden maßgeblich dazu beitragen, Reifen nachhaltiger zu machen. Wann immer möglich, setzen wir auf recycelte Materialien. Vergleichbare Qualität und Materialeigenschaften zu herkömmlichen Rohstoffen sind dabei entscheidend für uns“, sagt Petschick.
Continental arbeitet beispielsweise gemeinsam mit Partnern daran, aus recycelten PET-Flaschen hochwertiges Polyestergarn für ihre Reifen zu gewinnen. Häufig landen PET-Flaschen sonst in Müllverbrennungsanlagen oder Deponien. Das recycelte PET ersetzt bereits heute in einigen Reifen den herkömmlichen Polyester in der Konstruktion der Reifenkarkasse. Mit seiner ContiRe.Tex-Technologie hat der Reifenhersteller eine energieeffizientere und umweltfreundlichere Alternative entwickelt, die es ihm ermöglicht, je nach Reifengröße zwischen neun und fünfzehn PET-Flaschen pro Reifen wiederzuverwenden. Die eingesetzten PET-Flaschen werden ausschließlich aus Regionen bezogen, in denen es keinen geschlossenen Recyclingkreislauf gibt.
Continental arbeitet daran, innovative Technologien und nachhaltige Lösungen entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette voranzutreiben – von der Beschaffung nachhaltiger Materialien bis zum Recycling von Altreifen. Ebenfalls bis spätestens 2050 will das Unternehmen 100 Prozent Klimaneutralität erreichen.
Henry Schniewind
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